So ist das nun mal bei den großen Repertoire-Opernhäusern: Man braucht einen erheblichen Grundbestand an Produktionen, und so bleiben erfolgreiche Inszenierungen der Standardwerke jahrzehntelang im Spielplan bzw. werden im Abstand einiger Spielzeiten wieder aufgenommen. So hat die Hamburgische Staatsoper noch diverse Produktionen aus den 1970-er Jahren immer wieder auf dem Spielplan; spontan fallen mir da ein: Otello, L'elisir d'amore, Il barbiere di Siviglia, Hänsel und Gretel sowie Madama Butterfly, - das sind nämlich alles Produktionen mit den dünnen grauen Programmheften im früher gebräuchlichen quadratischen Format.
Die Hamburgische Staatsoper hat nun mit einer letzten Aufführungsserie Abschied genommen von einer der ältesten Produktionen im Spielplan. Seit der Premiere am 13. April 1975 war Verdis "La Traviata" in der Inszenierung von Folke Abenius Saison für Saison ein Publikumsrenner, der - unabhängig von der Qualität der Besetzung - stets ein volles Haus garantierte. Viele beklagen nun die Absetzung dieser konventionellen Produktion und befürchten das Schlimmste für die angekündigte Neuinszenierung. Ich sehe ihr dagegen optimistisch entgegen - 37 Jahre waren nun wirklich mehr als genug! Von 1980 - 2010 hatte ich dreißig Vorstellungen in dieser Inszenierung erlebt, meine 31. Vorstellung - mein Abschiedsbesuch am 9. Februar 2012 - wurde erfreulicherweise in musikalischer Hinsicht ein Höhepunkt, der mir keine Zeit ließ, mich mit der plüschigen Inszenierung zu langweilen. Es war übrigens ausweislich des Programmzettels die 266. Vorstellung seit der Premiere 1975.
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Foto: Homepage Inga Kalna |
In der Titelpartie gab es ein sehr erfreuliches Wiedersehen und -hören mit
Inga Kalna, gern gesehener Gast in Hamburg, war sie hier doch von 1999 - 2001 Mitglied des Internationalen Opernstudios und anschließend Ensemblemitglied. Ich hatte sie bereits 2001 und 2003 als ausgezeichnete Violetta erlebt, in der Zwischenzeit ist ihre Gestaltung der Partie sängerisch und darstellerisch sogar noch intensiver und berührender geworden.
Francesco Meli gab bei seinem Hamburg-Debüt einen Alfredo der Extra-Klasse, stimmschön, nuancenreich, wunderbare Messa di voce - endlich mal wieder ein Tenor, der - was ich besonders schätze - unter Beimischung der Kopfstimme differenzieren, auch leise singen und mit rein musikalischen Mitteln gefühlvoll gestalten kann.
Leider nicht auf entsprechend hohem Niveau war James Rutherford als Giorgio Germont, da fehlte es an Italiniatà, es gab keine Vorhaltenoten zu hören, sondern nur die übliche "Leierkasten"-Arie, und die Cabaletta lag ihm nun gar nicht, war vielleicht auch für diese Aufführung erst neu einstudiert.
Besonders hervorheben möchte ich das ausgezeichnete Dirigat, das der Vorstellung eine ungemein intensive innere Spannung gab, zugleich aber den Sängern Raum ließ für eine individuelle Gestaltung.
Alexander Soddy - geb.1982 - ist seit 2005 an der Hamburgischen Staatsoper engagiert. Er begann hier als Korrepetitor, dirigierte ab 2008 die Produktionen des Internationalen Opernstudios (Cavallis "Calisto" 2008 ist mir da in allerbester Erinnerung) sowie Aufführungen im Großen Haus. Seit der Spielzeit 2010/2011 ist er Kapellmeister. 2013 wird er die Hamburgische Staatsoper leider verlassen und als Chefdirigent nach Klagenfurt wechseln.
Besuchte Vorstellung: 9. Februar 2012
Fotos: Hamburgische Staatsoper