5. August 2012

"Rossini in Wildbad" 2012 - Drei Konzerte (20. - 22. Juli)


Foto: Wikimedia Commons
Die Konzerte fanden dieses Jahr wieder im Großen Kursaal statt. Es war schön, wieder einmal dort zu sitzen, wo früher auch die Opernaufführungen stattfanden, bevor das Festival wegen des größeren Platzangebotes in die Trinkhalle umzog.


Rund ums Wasser (20. Juli 2012)

Das Konzert wurde zugunsten des Kurtheaters, in dem übernächstes Jahr wieder gespielt werden soll, von "Classic pro bono" gesponsert, einer Konzertreihe, die Benefizkonzerte für ausgewählte kleine Hilfsprojekte durchführt, denen die gesamten Einnahmen zufließen; zugleich sollen die Konzerte auch jungen und noch nicht arrivierten Berufsmusikern Auftrittsmöglichkeiten bieten.

Auf dem Programm standen Lieder und Duette von Gioachino Rossini, die irgendeinen Bezug zum Wasser haben, - sei es das Meer (La pesca - Der Fischfang, aber auch La Veuve andalouse - Die andalusische Witwe oder La danza), sei es der Canale grande in Venedig (La regata veneziana), sei es die Donau (Addio ai Viennesi - Abschied von den Wienern), sei es das Ligurische Meer (L'esule - Der Verbannte) u. a..

Es war eine Freude, dem Spiel der Pianistin Judit Polgar zu lauschen; sie brachte Rossinis Musik - je nach Thema und Stimmung - als Begleiterin und als Solistin bei der Barcarole (Nr. 8 aus Album pour les enfants dégourdis für Klavier solo) zum perlenden Klingen oder zum dramatischen Ausbruch, was man von den Gesangssolisten, die sie begleitete, leider nicht sagen konnte. Beiden Solisten - Muriel Fankhauser, Sopran, und Viktor Majzik, Tenor, - stand leider nicht die für die Gestaltung dieser unterschiedlichsten Stimmungen erforderliche Ausdruckspalette zur Verfügung, beim Tenor kam noch ein fahles Timbre ohne tenoralen Glanz hinzu. Alles klang gleich, - es reicht eben nicht, Noten korrekt aneinander zu reihen und freundlich ins Publikum zu schauen.

Unterbrochen wurde dieses Einerlei erfreulicherweise durch Christopher Kaplan, Tenor, und Atanas Mladenov, Bass, die - am Klavier begleitet von Marco Alibrando - mit schön timbrierten Stimmen und ausgezeichneter Textgestaltung in den Duetten Li marinari (Die Matrosen) und Orage et beau temps (Gewitter und schönes Wetter) demonstrierten, wie man mit Rossinis Liedern kleine Geschichten erzählen und Stimmungen heraufbeschwören kann. Beide waren Teilnehmer der von Raul Giménez geleiteten Akademie BelCanto und sangen auch in den Opernproduktionen des Festivals, so Atanas Mladenov einen viel beachteten Eremiten in I briganti.


Große Akademie (21. Juli 2012)
 
"Grande Accademia" - so hießen zu Rossinis Zeiten gemischte Vokal- und Instrumentalkonzerte mit Musik verschiedener Komponisten, und die Große Akademie mit den Virtuosi Brunensis unter der Leitung von Federico Longo am 21. Juli machte bereits durch eine hochinteressante Programmgestaltung neugierig und erfreute durch eine glänzende musikalische Umsetzung.

Es begann mit der Ouvertüre zu der in Bad Wildbad vollendeten und in Stuttgart uraufgeführten Oper Die sizilianische Vesper  (1843) von Peter Joseph von Lindpaintner (1791- 1856), - mal getragen fließend, mal schmissig mit viel Blech. Aus derselben Oper folgte dann die Arie des Grafen Fondi, gesungen von dem höhen- und koloratursicheren Tenor Christopher Kaplan. Lindpaintner war Erster Kapellmeister der Stuttgarter Hofoper und komponierte nach einer Liste bei operone 21 Opern. Musikalische Vorbilder waren Rossinis Guillaume Tell, Meyerbeers Les Huguenots und insbesondere Aubers Muette de Portici. Ouvertüre und Arie sind von Volker Tosta in der Edition Nordstern neu editiert worden und somit seit langer, langer Zeit zum ersten Mal wieder zu hören gewesen.

Vermutlich eine Uraufführung war die folgende, ebenfalls von Volker Tosta herausgegebene Kavatine der Theresa, die Giacomo Meyerbeer für seine Oper Ein Feldlager in Schlesien (1844) komponiert, aber nicht zur Aufführung gebracht hatte, gesungen von Kristina Elfversson, Sopran.

Auch von Gioachino Rossini gab es eine Rarität zu hören: Das Terzetto (Aria Fileno con pertichini)  aus der Kantate Il vero omaggio (1822), eine Umarbeitung der szenischen Kantate La riconoscenza von 1821. Die extrem hohe Tenorpartie des Fileno komponierte Rossini für den damals noch jungen Giovanni Battista Rubini, für den später dann Mercadante die Rolle des Ermano in I briganti schrieb; der junge spanische Tenor Jesús Ayllón zeigte sich den Anforderungen dieser Pastorale durchaus gewachsen, stimmschön stimmten Sofia Mchedlishvili und Rosa Fiocco als Schäferinnen in die sich zum Terzett weitende Melodie ein.

Der Vokalteil des Konzerts schloss mit einer Konzertarie von Wolfgang Amadeus Mozart: Ch'io mi scordi di te? (KV 505) für Sopran, Orchester und obligates Klavier. Ursprünglich wurde sie - mit längerem Rezitativ und einem Part für Solo-Violine - 1786 für eine Wiener Privataufführung des Idomeneo, re di Creta komponiert (KV 490); inhaltlich ging es um Idamante, der in dieser Szene seine geliebte Ilia beruhigt, die befürchtet, ihn an Elettra zu verlieren. Für das Abschiedskonzert von Nancy Storage (Susanna der Uraufführung von Le nozze di Figaro) arbeitete Mozart die Arie zur reinen Konzertfassung um und begleitete bei der Aufführung im Rahmen einer "Akademie" am 23. Februar 1787 die Sängerin höchstwahrscheinlich selbst am Klavier. - Bei "Rossini in Wildbad" begleitete der Pianist Achille Lampo die Mezzosopranistin Marija Jokovic bei ihrer einfühlsamen Interpretation.

Beim letzten Programmpunkt konnten die Virtuosi Brunensis, die unter der schwungvollen Leitung von Federico Longo die Solisten aufmerksam begleitet hatten, endlich die ihnen gebührende Aufmerksamkeit ungeteilt beanspruchen, und zwar bei einem ebenfalls selten zu hörenden Werk, nämlich der Sinfonie Nr. 1 c-moll op. 11 von Felix Mendelssohn Bartholdy, die dieser 1824 im Alter von 15 Jahren komponiert hat.


Rossini & Co. (22. Juli 2012)

In diesem Konzert zeigten die Teilnehmer der Akademie BelCanto noch einmal ihr Können, mit überwiegend bekannten (und damit zu Vergleichen herausfordernden) Arien aus Opern von Rossini, Mozart, Bizet und Delibes sowie mit Liedern und Ensembles von Rossini bis hin zum Quartett "Mi manca la voce" aus Mosè in Egitto. Das gesangliche Niveau war erfreulich hoch, besonders positiv auffallend wiederum Atanas Mladenov ("Le femmine d'Italia" aus L'italiana in Algeri und - abweichend von der Besetzungsangabe auf dem Programmzettel - erneut im Duett Li marinari mit Christopher Kaplan wie im Konzert vom 20. Juli). Rosa Fiocco glänzte mit "Giusto Ciel" (L'assedio di Corinto), Sofia Mchedlishvili bekam viel Beifall für die Glöckchen-Arie aus Lakmé (und sang auch eine Arie aus La cambiale di matrimonio), Christopher Kaplan reüssierte mit "Il mio tesoro intanto" aus Don Giovanni und Vassilis Kavayas mit der Arie des Ramiro "Si, ritrovarla" aus La Cenerentola. Weitere Solisten waren Jesús Ayllon ("Je crois entrendre encore" aus Les Pêcheurs de Perles), Raffaele Facciolà ("Donne mie, la fate a tanti" aus Cosi fan tutte) und Marija Jokovic ("Una voce poco fa" aus Il barbiere di Siviglia). Am Klavier begleiteten Marco Alibrando und Achille Lampo.

Abb.: Scan aus Prospekt "100 Jahre Kurhaus Bad Wildbad" (Staatsbad Wildbad GmbH)