19. August 2012

Worüber ich mich bei Rundfunksendungen immer wieder ärgere: Fehlerhafte Aussprache von Namen und falsche Besetzungsangaben

I.
Das kennt wohl jeder Klassik-Rundfunkhörer: manchmal kann man sich nur wundern, wie seltsam ein fremdsprachiger Name oder Titel ausgesprochen wird. Mit fremdsprachigen Namen haben wir ja alle unsere Probleme, insbesondere bei slawischen Namen, und ich bin mir sicher, dass im deutschsprachigen Raum z. B. die auf -ova endenden Namen russischer Sängerinnen oft falsch betont werden (und würde man richtig betonen, würde man bei bekannten Namen eher Befremden bei den Gesprächspartnern auslösen). Im Italienischen lauern die größten Fallstricke wohl bei Wort- und Silbenanfängen mit gh, ch und sch (s. hier). Da wünscht man sich eigentlich von Institutionen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten eine Orientierungshilfe, aber die Hoffnung, dort die zutreffende Aussprache zu erfahren, trügt leider allzu oft. Da wird doch z. B. sogar aus Glyndebourne ein Ort namens Glindeborn... , der Nachname der italienischen Sängerin Daniela Barcellona wird ausgesprochen wie die spanische Stadt ähnlichen Namens etc. etc..Dabei dürften den Sendern doch weit mehr Informationsquellen zur Verfügung stehen als dem normalen Internetnutzer, aber sogar der kann sich im Internet
die richtige Aussprache und Betonung z. B. italienischer Wörter anhören (z. B. hier). Mit Schrecken denke ich immer noch an eine Jahre zurückliegende Sendung von Rossinis La Cenerentola, bei der die Ansagerin mit permanent falsch betonter Cenerentola einen ganzen Abend lang nervte. Und Di tanti palpiti falsch betonen, nämlich - wie tatsächlich in einer An- und Absage im Radio gehört - mit Betonung auf der Silbe pi, kann eigentlich nur, wer von dieser Arie aus Rossinis Tancredi nicht einmal die ersten Takte gehört hat.

Noch gravierender als fehlerhafte Aussprache sind natürlich falsche Besetzungsangaben, für die ich konkrete Beispiele anführen kann, da ich in den fraglichen NDR-Konzerten war, bei denen jeweils das Stabat mater von Rossini aufgeführt wurde, deren Mitschnitte dann später vom NDR gesendet wurden.

II.
Aktueller Auslöser dafür, dass ich mit diesem Blogpost meiner Verärgerung endlich einmal etwas Luft verschaffen möchte, ist ein Beitrag von Deutschlandradio Kultur, in dem in der Sendung „Fazit“ am 12. August 2012 über das Rossini Opera Festival in Pesaro berichtet wurde. Dieser Beitrag ist
hier im Internet noch nachzuhören, die Fehlleistungen sind also nicht - wie sonst meist – sofort wie Schall und Rauch vergangen.

Die ersten Minuten des Beitrags, in denen über die Premiere von Il signor Bruschino berichtet wird, sind nicht auffällig, insbesondere wird der Name Bruschino richtig ausgesprochen, aber dann in der Berichterstattung über die Aufführungen von Ciro in Babilonia und Matilde di Shabran – ab etwa 4:50 – reiht sich Fehler an Fehler: Der noch mehrmals erwähnte Signor Bruschino wird nunmehr plötzlich mit deutschem sch ausgesprochen, der amerikanische Tenor Michael Spyres bekommt einen deutsch ausgesprochenen Vornamen verpasst (man stelle sich nur mal vor, wie das bei Michael Jackson klingen würde!), der Name Flórez wird höchst eigenwillig auf der letzten Silbe betont (dabei hat der Akzent doch gerade die naheliegende Funktion anzuzeigen, welche Silbe zu betonen ist, - s. hier) und dann der Höhepunkt: Kennt jemand Olga Pretyakova? Gemeint ist die international durchaus bekannte und auch schon in den Vorjahren in Pesaro aufgetretene Olga Peretyatko, die die Titelpartie in Matilde di Shabran sang, aber den Programmzettel zum Ablesen hatte der Herr Berichterstatter wohl nicht griffbereit, und - wie eingangs gesagt – die slawischen Namen... Alexandrina Pendatchanska hat ja inzwischen die „Notbremse“ gegen eine Verballhornung ihres Namens gezogen und möchte jetzt Alex Penda genannt werden (s. hier). Zum Abschluss des Fazit-Beitrags bietet dann schließlich auch die Redakteurin im Studio noch eine alternative (und falsche) Betonung des schönen Namens von Pesaro ... Fazit: Innerhalb eines Beitrags - neben anderen Fehlern - sogar in zwei Fällen jeweils zwei verschiedene Aussprachevarianten, - soll sich doch der Zuhörer aussuchen, was er für richtig hält! Als bloße spontane Versprecher, wie sie natürlich immer vorkommen können (und dann meist auch sofort vom Sprechenden bemerkt und berichtigt werden), dürften sich die Fehler jedenfalls nicht einfach abhaken lassen, sondern sie sind m. E. Zeichen mangelnder Sorgfalt, wenn nicht gar mangelnder Kompetenz.


III.
Bedeutend schwerwiegender sind natürlich falsche Besetzungsangaben. In diesem Punkt müsste man sich eigentlich hundertprozentig auf die Angaben des produzierenden Senders verlassen können, leider ist das aber nicht immer der Fall. Merken kann man es eigentlich nur, wenn man in einer bestimmten Aufführung gewesen ist und dann später sieht, dass bei den Angaben des Senders für die Ausstrahlung im Radio Besetzungsänderungen nicht berücksichtigt worden sind.


Einen konkreten Fall möchte ich hier detailliert schildern.

Am 12. September 2011 sendete NDR Kultur den Mitschnitt des NDR-Konzerts vom 7. April 2011. Ich war in diesem Konzert am zweiten Aufführungstag (8.4.). Für die Aufführung des Stabat mater von Gioachino Rossini hatte es zwei Besetzungsänderungen gegeben (Alessandra Marianelli statt Marina Rebeka und Marco Vinco statt Andrea Concetti), von denen die erstere nicht einmal kurzfristig erfolgt war, sondern schon Wochen vorher auf der Internetseite des NDR Sinfonieorchesters stand und auch im Konzertprogrammheft abgedruckt war. Für die zweite Umbesetzung war ein Hinweisblatt ins Programmheft eingelegt. Obwohl zwischen Konzert und Sendetermin mehrere Monate lagen, waren beide Umbesetzungen in der Programmvorschau von NDR Kultur im Internet nicht berücksichtigt worden (und natürlich auch nicht in den vom NDR mit den Programminformationen versorgten Programmzeitschriften). In der Ansage der Sendung am 12. September 2011 wurde  zwar die Besetzungsänderung bezüglich der Sopranpartie mitgeteilt, als Bass wurde aber weiterhin Andrea Concetti genannt, der gar nicht gesungen hat, sondern durch Marco Vinco ersetzt worden war. Besonders peinlich ist an dem Fall, dass auf der Seite des NDR-Sinfonieorchesters die Ausstrahlung für den 12. September 2011 mit der korrekten Besetzung aller Partien angekündigt wurde, - das ist noch heute im Internet nachzulesen. Für mich als Hörerin ist es eine ärgerliche Erfahrung, dass ich mich nicht einmal bei einer Eigenproduktion des NDR auf die Richtigkeit der Besetzungsangaben verlassen kann, für den betroffenen Sänger aber ist es eine Zumutung, nicht genannt zu werden. Und man fragt sich natürlich auch, wie es beim NDR um die Führung des Archivs bestellt sein mag. Wer mag da als Bass im Konzert vom 7. April 2011 registriert sein? Und da sicherlich einige Hörer die Sendung mitgeschnitten haben, ist die Verbreitung der falschen Besetzungsangabe garantiert. Ich hoffe jedenfalls, dass für diesen konkreten Fall meine Hinweise, die ich vor und nach der Sendung vom 12. September 2011 an den NDR gemailt habe, zur Kenntnis genommen worden sind und bei einer künftigen erneuten Ausstrahlung des Stabat mater die Besetzungsangaben bereits in der Programmvorschau korrekt sein werden; eine Antwort auf meine Mails habe ich leider nicht erhalten.


Es war dies auch nicht das erste Mal, dass mir eine falsche Besetzungsangabe bei einer Eigenproduktion des NDR aufgefallen ist. So hatte ich den NDR bereits vor einigen Jahren anlässlich einer erneuten Sendung des Konzertmitschnitts vom 19. Oktober 2001 von Rossinis Stabat mater auf eine nach wie vor unrichtige Besetzungsangabe in der Programmvorschau hingewiesen (und auch eine sehr freundliche Antwort erhalten); damals war in der Basspartie Erwin Schrott kurzfristig eingesprungen, was bei der Sendung auch angesagt wurde. Und – dieser Fall betrifft nun das NDR Fernsehen – wenn die Aufzeichnung von Dvoraks „Rusalka“ vom SHMF 2004 wiederholt wurde, las man in der Programmvorschau bis zuletzt immer noch den Namen des Tenors Sergej Larin, obwohl – wie auch in Vor- und Abspann des Films richtig angegeben – Miroslav Dvorsky gesungen hat.

Fazit: Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser, - sofern man Derartiges überhaupt noch kontrollieren kann. Zumindest bei aktuellen Liveübertragungen / Aufzeichnungen aus Opernhäusern oder von Festivals, die ich aufnehmen möchte, habe ich es mir jedenfalls zur Angewohnheit gemacht, deren Internetseiten auf etwaige Besetzungsänderungen hin zu überprüfen; denn selbst wenn Änderungen in der Ansage mitgeteilt werden, sind unbekannte fremdsprachige Namen oft nur schwer nachvollziehbar. Bei Liveübertragungen bzw. Sendungen von Aufzeichnungen nur wenige Tage nach der Aufführung können kurzfristige Besetzungsänderungen natürlich nur angesagt werden - was allerdings insbesondere bei Nebenrollen auch nicht immer geschieht -, aber dass Besetzungslisten stets senderintern aktualisiert und korrekt archiviert werden, damit für spätere Sendetermine - ggf. auch bei anderen Sendern -  in den Programmvorschauen die Besetzungsangaben stimmen, sollte m. E. eine Selbstverständlichkeit sein.




Programmheft des Konzerts am 7. und 8. April 2011 mit Einlageblatt
(zum Vergrößern bitte ins Bild klicken)


Programmvorschau von NDR Kultur für den 12. September 2011

Ankündigung des Sendetermins 12.09.2011 auf der Seite des NDR Sinfonieorchesters


Fortsetzung des Themas:
Wieder Ärger mit der Programmvorschau von NDR Kultur!

 ... und noch einmal dasselbe Thema:
Gar nicht heiteres Rätselraten bei NDR Kultur: Botha oder Pisapia?

ZITIERT: Unsinniges - Seltsames - Peinliches etc.
hier im Blog auf der Seite Dies und das!