9. Januar 2004

Herzdame und Herzbube mit Joker auf der Seidenen Leiter


Das „Junge Forum Musiktheater“ brachte mit seiner gelungenen Inszenierung von Rossinis La scala di seta in der Musikhochschule endlich mal wieder Abwechslung für Rossinifreunde im Norden; die Hamburgische Staatsoper spielt ja leider – außer einer nach nur zwei Spielzeiten mangels Publikumsinteresses schnell wieder in der Versenkung verschwundenen Cenerentola – seit vielen Jahren nur die Inszenierung des Barbiere di Siviglia, diese Spielzeit immerhin die 157. bis 159. Vorstellung seit der Premiere am 29.12.1976 (für mich die 33. und 34. Vorstellung, also Jahrzehnte mit Generationen von Almavivas, Figaros und Rosinas)!

Der Abend im Forum der Musikhochschule begann mit der „komisch-mythologischen Oper“ Die schöne Galathée von Franz von Suppé, ein netter Aperitif.

Auf der Bühne für die Scala di seta standen dann große Spielkarten – etwa ein Dutzend, schön anzuschauen und geschickt arrangiert für das folgende Versteckspiel (Bühnenbild von Anderz Enerbäck). Aus einigen Karten entstiegen die handelnden Figuren. Herzdame und Herzbube waren natürlich das junge Paar Giulia und Dorvil, der umtriebige Diener Germano war der Joker. Als das Verwirrspiel mit Schummeln und Bluffen sein Ende gefunden hatte, kehrten alle wieder in ihre Karten zurück und erstarrten zur Bewegungslosigkeit.

Dazwischen ging es aber sehr munter zur Sache. Mit viel Tempo und Witz agierten die jungen Mitwirkenden in einer präzise choreographierten Personenregie von Anne Catrin Carstens (Studierende des Studienganges Musiktheater-Regie). Da das Forum über eine Übertextanlage verfügt, konnte man der Handlung auch sehr gut folgen. Gesungen wurde – trotz gelegentlich erkennbaren Premierenfiebers – auf erfreulich hohem Niveau. Tatjana Charalgina sang mit sehr schöner Stimme und sauberen und sicheren Koloraturen eine gewitzte, aber auch liebevolle Giulia. Für Marc Haag als Dorvil mit kräftigem Tenor stellte es sich als ein etwas waghalsiges Unterfangenheraus, die Kür der schwierigen Tenorarie zu bewältigen; aus dem Orchestergraben gab es dafür auf Tafeln die Wertung „6,0“. Martin Berner war der Buffo Germano mit rundem und beweglichen Bass. Jan Friedrich Eggers gab den Blansac als attraktiven Latino-Kavalier mit schön timbrierter Stimme und gekonnt eingesetzter erotischer Klangfärbung. Wenn Blansac die Lucilla zu umgarnen beginnt, denkt man unwillkürlich an Don Giovanni (das war mir auch schon zuvor beim bloßen Anhören meiner CD so ergangen) und auf einmal wurden – geschickt ins Rezitativ eingeflochten – die ersten Takte von „Là ci darem la mano“ gesungen, ein Aha-Erlebnis der besonderen Art. Die beiden kleineren Rollen waren mit Wiebke Huhs und André Brendemühl ansprechend besetzt.

Im Orchestergraben hatte der junge Dirigent Sebastian Kennerknecht (Student bei Christof Prick) alle Fäden sicher in der Hand; mit dem Orchester „Aurora Players“, das für diese Produktion aus Studierenden der Musikhochschule und aus Mitgliedern Hamburger Jugendorchester zusammengestellt war, gelang ihm eine spritzige Umsetzung der Partitur.

(Besuchte Vorstellung: Premiere am 20. Dezember 2003)

Beitrag für das Mitteilungsblatt der DRG Nr. 30 (Januar 2004)