Roter Zettel! Die größte
Überraschung war nicht die bereits bekannte Erkrankung von Inga
Kalna, sondern dass sich nun auch der Dirigent Hofstetter krank
gemeldet hat (Gerüchte sprechen allerdings durchaus nachvollziehbar
von einer Auseinandersetzung mit dem Orchester). Dirigentin: Irina
Hochman. Wer? Eine Erklärung oder Ansage gab es nicht. Nachdem die
Ouvertüre wiederum einen etwas zähen und unausgeglichenen Abend
befürchten ließ, sprang dann irgendwann der entscheidende Funke
über: Tempi, Lautstärke und Zusammenspiel stimmten ebenso wie der
Kontakt zur Bühne mit Freiraum für die Sänger, auch das Gespür
für die ernste Seite der Geschichte kam zum Ausdruck.
In der Rolle der Fiorilla war die
attraktive Yolanda Auyanet zu sehen und zu hören. Dem Vernehmen nach
war sie bereits ab der dritten Aufführung – zunächst aus dem
Orchestergraben singend – eingesprungen; in der von mir besuchten
Vorstellung gab sie ein gutes Rollenporträt, sowohl gesanglich als
auch darstellerisch mit großer Bühnenpräsenz, kapriziös und in
den traurigen Momenten im 2. Akt anrührend. Die stimmlich viel
versprechende Tamara Gura (Mitglied des Opernstudios) führte als
Zaida wieder einen gekonnten Bauchtanz vor. Den Prodoscimo sang jetzt
– wie vorgesehen – Jan Buchwald mit viel Witz und durchaus
geläufiger Gurgel. Der in der Premiere angesagte Tenor David Alegret
war auch wieder auf der Höhe, d.h. in der Höhe sehr sicher und
schön klingend, ein heller Rossini-Tenor mit leider etwas schwacher
Mittellage. Gefeierter Don Geronio war wieder Renato Girolami, kein
lächerlicher alter Trottel, sondern ein sympathischer, etwas
hilfloser Ehemann, immer um seine Fiorilla besorgt, sei es dass er
ihre Haare von den Lockenwicklern befreit – beim letzten Wickler
hakt und ziept es dann passend zu den Koloraturen der Fiorilla –,
sei es, dass er bei der Versöhnung der beiden sich sofort daran
macht, die von Fiorilla in ihrer Verzweiflung wild verstreuten Schuhe
wieder ordentlich paarweise zu sortieren. Sogar der Selim von Balint
Szabo wirkte lebhafter, Rossinis Koloraturen zu singen ist aber nicht
wirklich sein Ding.
Als der letzte Vorhang gefallen
war, hörte man auf der Bühne Klatschen, da wurde sicher Frau
Hochman gefeiert, die übrigens auch die Folgevorstellung am Sonntag
dirigiert hat und auch mindestens noch die nächste Vorstellung am
Mittwoch dirigieren wird. Auf meinen dritten Turco am kommenden
Sonnabend bin ich echt gespannt.
Und wer ist nun Irina Hochman,
erkundigte ich mich nach der Vorstellung bei Orchestermitgliedern auf
dem U-Bahnsteig? Korrepetitorin an der Hamburgischen Staatsoper! Ein
wirklich schöner Erfolg bei einem mutigen „Sprung“ in den
Graben!
Besuchte Vorstellung: 1. April 2005
Mitteilungsblatt der DRG Nr. 34 (Juni 2005)